Donnerstag, 27. Juli 2023

Hohe Armutsgefahr für Kinder - Verbände fordern bessere Hilfen

Berlin (KNA) Knapp 2,2 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren in Deutschland sind

armutsgefährdet. Auch das Risiko für Armut oder soziale Ausgrenzung lag mit 24 Prozent nur

knapp unter dem EU-Durchschnitt (24,7 Prozent), wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch in

Wiesbaden mitteilte. Sozialverbände pochen erneut auf die Einführung der Kindergrundsicherung.

Ein Bündnis mit kirchlicher Beteiligung bringt sogar noch neue Maßnahmen ins Spiel.

"Armut macht krank, grenzt aus und sorgt für weniger Bildungserfolge", sagte die

Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, der

"Rheinischen Post" (Donnerstag) Der Verband mahnte deshalb die zügige Einführung der von der

Bundesregierung geplanten Kindergrundsicherung an.

Zudem forderte Engelmeier höhere Steuern für Reiche und Vermögende sowie mehr Hilfen für

Familien. "Wir müssen an die Erbschaftssteuer, die Vermögenssteuer oder auch den

Spitzensteuersatz ran. Es darf keine Steuerschlupflöcher mehr geben." Nur so könne verhindert

werden, dass die Gesellschaft auseinanderdrifte.

Das Hilfswerk Save the Children warnte vor Sparmaßnahmen bei der Einführung der

Unterstützungsleistung. "Die Kindergrundsicherung darf nicht zum sozialpolitischen Flop werden",

mahnte die Organisation. Langfristig müssten dazu Arbeitsmarktpolitik, Bildungssystem und

Infrastruktur sozialer gestaltet werden.

Unterdessen schlägt ein Bündnis kirchlicher Jugendverbände und Sozialorganisationen ein

bedingungsloses Kindergrundeinkommen vor. "Jedes Kind in Deutschland soll Anspruch auf die

gleiche finanzielle Unterstützung in Form eines bedingungslosen Kinder- und

Jugendgrundeinkommens haben, unabhängig vom Einkommen der Familie", heißt es in einer

Erklärung des Zusammenschlusses.

Das Kindergrundeinkommen soll demnach - ähnlich wie die Kindergrundsicherung - unterschiedliche

Leistungen wie das Kindergeld, den Kinderzuschlag, das Bürgergeld für Kinder und den

Kinderfreibetrag bündeln. Dabei solle es allen Kindern und Jugendlichen ohne zusätzliche Nachweise

und Überprüfungen zustehen. Die Höhe des Betrags müsse sich am steuerrechtlichen Existenz und

Teilhabeminimum für Kinder orientieren und die Inflation berücksichtigen, fordern die

Verbände. Bei der geplanten Kindergrundsicherung ist es derzeit völlig unklar, ob es neben der

Bündelung der Leistung eine Erhöhung geben wird, die bei dem Grundeinkommen vorgesehen

wäre.

Zu den Unterzeichnern des Aufrufs gehören den Angaben zufolge der Bund der Deutschen

Katholischen Jugend (BDKJ), Attac, AG Genug für alle und die Bundesarbeitsgemeinschaft Prekäre

Lebenslagen.

"Die Einführung eines Kindergrundeinkommens ist ein wichtiger Schritt, um allen Kindern und

Jugendlichen eine bessere Perspektive für ihre Teilhabe an Gesellschaft, Bildung, Ausbildung und

Arbeit zu ermöglichen", erklärte BDKJ-Bundespräses Stefan Ottersbach. "Jedes Kind ist gleich viel

wert, und alle Kinder haben die gleichen Rechte. Dieses Recht muss unabhängig von Geschlecht,

Herkunft, Hautfarbe und Religion gewährleistet sein."

Als armutsgefährdet gilt, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der

Gesamtbevölkerung verfügt. 2022 lag dieser Wert für eine alleinlebende Person in Deutschland bei

1.250 Euro netto im Monat, für zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren waren es

2.625 Euro.

 

Text: Johannes Senk und Birgit Wilke (KNA)